Was kommt nach den Transformationsverträgen?
Ein Vorschlag zur Etablierung von Ausschreibungs- und Wettbewerbsmechanismen im Rahmen von nationalen Open-Access-Zeitschriftenkonsortien
Die Open-Access-Transformation ist erklärtes Ziel der Coalition S und der OA2020-Initiative sowie der sie unterstützenden Institutionen. Um eine großflächige Open-Access-Transformation von Zeitschriften zu erreichen, sollen möglichst viele etablierte Subskriptionszeitschriften in den Open Access transformiert werden. Dies soll derzeit im Rahmen von Transformationsverträgen, wie sie bspw. vom DEAL-Projekt seit mehreren Jahren mit den drei großen internationalen Wissenschaftsverlagen (Elsevier, Springer Nature, Wiley) verhandelt werden, umgesetzt werden. Ausgestaltung und Konditionen solcher Verträge werden bilateral zwischen Verlag und Bibliothekskonsortien ausgehandelt und orientieren sich oft an den bisherigen Ausgaben der Bibliotheken für Subskription. Zusätzlich werden im DEAL-Wiley-Transformationsvertrag APCs für Publikationen in reinen Open-Access-Zeitschriften nach Listenpreis mit 20%-Rabatt übernommen, so wie es auch voraussichtlich im DEAL-Springer-Transformationsvertrag vereinbart werden wird.
Was aber kommt auf uns zu, wenn Transformationsverträge weltweit flächendeckend abgeschlossen werden, und dies zu einem nahezu vollständigen Flip von wissenschaftlichen Zeitschriften in den Open Access führt? Welche Akteure werden relevant sein, wie werden Verträge ausgestaltet sein, welche Preisfindungsmechanismen werden zum Tragen kommen, wie wird die Finanzierung des Open-Access-Publizierens organisiert sein – und letztendlich – wird es gelingen die Preissteigerungen der letzten Jahrzehnte im Subskriptionsbereich mit Open Access zu durchbrechen, oder werden wir uns in einer neuen Spirale ewig steigender Open-Access-Publikationsgebühren wiederfinden?
Diese Fragen müssen bereits jetzt durchdacht und der Weg der Open-Access-Transformation nach Möglichkeiten so gestaltet werden, dass das wissenschaftliche Publikationssystem sich langfristig im gewünschten Zustand einfindet. Sofern Bibliotheken auch in der Open-Access-Zukunft eine tragende Rolle für die Informationsversorgung im Sinne der Finanzierung und Erstellung von Open-Access-Publikationen (Zeitschriftenartikel, Monographien etc.) spielen wollen, müssen sie für ihre Wissenschaftler_innen reine Open-Access-Verträge abschließen und die Finanzierung von Publikationen zentral organisieren und finanzieren. Damit ein Open-Access-Publikationssystem bei steigendem Publikationsoutput auf der einen Seite und starren oder nur geringfügig wachsenden Budgetgrenzen in wissenschaftlichen Einrichtungen auf der anderen Seite, langfristig ökonomisch tragbar ist, schlagen wir die Einführung von Mechanismen vor, die einen Preis- und Servicewettbewerb zwischen den Verlagen in Gang setzen.
Kerngedanke des Mechanismus ist, dass Bibliotheken nur mit den Verlagen Verträge zu Publikationen in Open-Access-Zeitschriften abschließen, die ein günstiges Preis-Leistungsverhältnis anbieten. In diesen können dann die berechtigten Wissenschaftler_innen (z.B. die Korrespondenzautor_innen von teilnehmenden Einrichtungen) für sie kostenfrei und ohne bürokratischen Aufwand publizieren. Für Publikationen in den Open-Access-Zeitschriften, die nicht über einen solchen Vertrag abgedeckt sind, müssten die Autor_innen die Finanzierung ihrer Artikel selbst organisieren. Die Bereitstellung von Open-Access-Verträgen hat somit eine preissignalisierende und publikationslenkende Wirkung. Autor_innen werden tendenziell häufiger in Zeitschriften publizieren, die durch einen Open-Access-Vertrag abgedeckt sind und eine gute Preis-Leistungs-Relation aufweisen, statt in solchen mit schlechter Preis-Leistungs-Relation, schon allein wegen des für sie damit verbundenen Aufwands zur Regelung der Kostenübernahme. Gleichwohl bleibt die Freiheit der Forschung in dem Maße bestehen, wie es heute schon der Fall ist: Die Autor_innen haben weiterhin die Wahl, in welcher Zeitschrift sie publizieren möchten – ob in einer Open-Access-Zeitschrift ihrer Wahl oder einer Subskriptions- bzw. Hybridzeitschrift.
Während ein bereits publizierter Artikel ein kleines Monopol darstellt und nicht substituierbar ist, beinhaltet der Prozess des (Open-Access-) Publizierens die Inanspruchnahme von Dienstleistungen, die in einem gewissen Rahmen durchaus substituierbar sind und damit in Wettbewerbsprozesse integriert werden können. Dass ein solcher Preis-Leistungswettbewerb im Bereich des Open-Access-Publizierens etabliert werden kann, zeigt das Beispiel SCOAP³.
Auch wenn die Integration von reinen Open-Access-Zeitschriften in Transformationsverträgen der richtige Weg für die erfolgreiche Umstrukturierung von bibliothekarischen Budgets von Literaturerwerbung hin zu Publikationsfinanzierung ist, so stellt sich doch die Frage, weshalb mit reinen Open-Access-Verlagen nicht vergleichbare, konsortiale Verträge abgeschlossen werden. Ist die strukturelle Finanzierung von Publikationen in reinen Open-Access-Zeitschriften von Großverlagen besser verankert als die von mittleren oder kleinen Verlagen, laufen letztere Gefahr, aus dem Markt gedrängt zu werden. Eine weitere Konzentration auf wenige, große Anbieter wäre die Folge.
Um die Finanzierung von Publikationen in Open-Access-Zeitschriften besser strukturell zu verankern und gleichzeitig Mechanismen zur langfristigen Begrenzung von Kostensteigerungen einzuführen, schlagen wir vor, ein Konsortium mit möglichst vielen deutschen Bibliotheken und wissenschaftlichen Einrichtungen zu bilden, die regelmäßig relevante Zahlungen an genuine Open-Access-Verlage und ‑Zeitschriften leisten. Dieses Konsortium soll durch Ausschreibungen in geheimen Bieterverfahren Publikationen von Korrespondenzautor_innen beteiligter Einrichtungen in Open-Access-Zeitschriften finanzieren. Das Pilotprojekt ist fachbereichsübergreifend angelegt und soll zunächst mit Fokus auf genuine Open-Access-Verlage durchgeführt werden.
Das Konzept „German Consortium for Publishing in Open Access Journals“ wurde erstmals auf der OASPA 2019 Annual Conference in Kopenhagen während der „Show and Tell“-Session von Dr. Nina Schönfelder vorgestellt. Eine Videoaufzeichnung wie auch die Vortragsfolien finden Sie hier (32.–41. min). Das Konzept wird zurzeit weiterentwickelt und Anfang nächsten Jahres vorgestellt.