How to build a community? - Initialworkshop der ENABLE!-Community



How to build a community? - Initialworkshop der ENABLE!-Community "Bibliotheken, Verlage und Autor*innen für Open Access in den Humanities und Social Sciences"

„Der bisherige wissenschaftliche Publikationsprozess gerät in seiner tradierten Form im Kontext von Digitalisierung, neuen Publikationsformaten, Open Access und Open Science usw. in Bedrängnis. Es gilt also zu überlegen, wie eine wissenschaftliche Buchpublikation in Zukunft organisiert und finanziert wird. Einige Ansätze dazu haben sich schon entwickelt, wie z. B. kooperative Modelle, Crowdfunding oder Subscribe to Open. Anderes liegt noch eher prototypisch vor und Bedarf der Diskussion in der Community.“

Mit diesen einführenden Worten von Alexandra Jobmann startete am 28. Januar 2020 der erste Workshop zur Bildung einer Community für Open Access in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Initiiert vom Nationalen Open-Access-Kontaktpunkt und dem transcript Verlag fanden sich Vertreter_innen von Verlagen, Bibliotheken, Intermediären und dem Buchhandel ein, um gemeinsam darüber zu diskutieren, wie das Open-Access-Publizieren in den Geistes- und Sozialwissenschaften künftig aussehen soll und wer dabei welche Rolle einnimmt. Ziel war es dabei auch, den vielen Fragen zu den neuen Formen der Zusammenarbeit ausreichend Raum zu geben und sich Gedanken über künftige Modi des miteinander Publizierens zu machen (Agenda).

Kooperative Ansätze

Zum Einstieg in den Workshop stellten der De Gruyter-Verlag und Language Science Press Modelle kooperativer Publikations-Organisation bzw. -Finanzierung vor. Während Language Science Press dabei vor allem die fachliche Community einbindet, setzt De Gruyter auch bei der Open-Access-Transformation weiter auf die erfolgreiche und bewährte Partnerschaft mit den Bibliothekskonsortien. So sind diese Teil eines Piloten zur Integration von Open Access in das Evidence-based Selection-Modell und eines Piloten zur Transformation von eBook-Frontlistpaketen. Dabei wurde gemeinsam mit einem Konsortium vier Fachpakete für das Angebot ausgewählt, aber nur eines konnte letztlich erfolgreich realisiert werden. Als mögliche Gründe dafür nannte Martina Näkel von De Gruyter die wahrscheinlich zu kurze Rückmeldefrist, die Tatsache, dass aufgrund des langen Vorlaufs zwar die Reihen, nicht aber die konkreten Titel benannt werden können und die Schwierigkeit zu vermitteln, warum es eine Autor_innenbeteiligung gibt (was übrigens normal ist bei Büchern, vor allem im geisteswissenschaftlichen Bereich). An letzterem entzündete sich eine Diskussion darum, ob der Autor_innenbeitrag eine Form von Double Dipping darstellt (nein) und die notwendige Transparenz von Publikations- und Transformationsprojektbedingungen zum Verständnis und zur Vergleichbarkeit solcher Modelle. Auch die Frage nach einem Subscribe to Open-Modell für die Buchreihen bei De Gruyter wurde aufgeworfen. Hier arbeitet der Verlag zur Zeit an einer Umsetzung im Zeitschriftenbereich, ist aber prinzipiell offen dafür, das Modell auch für Bücher zu durchdenken.

Felix Kopecky von Language Science Press lenkte den Fokus auf die Frage nach der „Marke“. Schließlich gibt es beim Publizieren Dienstleistungen, die durchaus auslagerbar und substituierbar sind, wobei die Marke bzw. das Prestige einer Zeitschrift oder eines Verlages nicht dazu gehören ("Nature lässt sich nicht mit Neuruppin University Press ersetzen"). Community-based heißt für Language Science Press auch, der Community etwas zurück zu geben, z. B. den Quellcode der Bücher, verbesserte Schriftarten, Softwarepakete, offengelegte Betriebszahlen oder auch ein Cookbook. In der anschließenden Diskussion ging es dann um Qualitätskontrolle, Kosten bzw. Preise, die Vergleichbarkeit von Leistungen, die Nachhaltigkeit der Finanzierung, Unterschiede zwischen den Disziplinen und ihren Autor_innen sowie die mögliche Übertragbarkeit des Modells auf andere Fächer. Es wurde deutlich, dass englisch-sprachige, technikaffine internationale Disziplinen andere Publikationsgewohnheiten und -erwartungen haben als kleine Disziplinen, die schwerpunktmäßig im deutschsprachigen Raum unterwegs sind.

Open-Access-Transformation: Do it yourself – do it together!

Den Block der Vormittagsvorträge beschloss Dr. Karin Werner von transcript mit der Vorstellung von methodischen und praktischen Aspekten für die Open-Access-Transformation. Bisher sind Monografien in den Geistes- und Sozialwissenschaften ein Nebenschauplatz bei der Open-Access-Transformation, was zu einer wachsenden Kluft bei Reichweite und Impact zwischen diesen Publikationen und denen aus dem natur- und lebenswissenschaftlichen Bereich führt. Im jetzigen Status Quo praktizieren die Akteure zwar „irgendwie“ und mehr oder weniger Open Access, aber die Situation an sich ist unbefriedigend, da z. B. noch nicht alle Publikationsformen von den technischen Entwicklungen der letzten Jahre profitieren. Es wird daher Zeit für einen nächsten, weitergehenden Schritt: die Bildung einer Community-basierten Organisation, die die Open-Access-Transformation moderiert und sich den damit verbundenen Fragen und Ideen auf eine pragmatische Art und Weise annimmt. Das bedeutet die Orientierung an Qualitätsstandards, Toleranz pluraler Finanzmodelle und finanzieller Möglichkeiten der Förderer, Pluralität der Realisierungsmodelle sowie Transparenz und Kreativität seitens der Verlage.

In der Diskussion ging es dann um die künftige Rollenverteilung (wer macht was), die Sichtbarkeit des Co-Publishing sowie die Perspektive der (leider nicht explizit vertretenen) Autor_innen sowie der Händler_innen und anderer Intermediärer.

Nach diesem Input zum Thema Community Building und community-basiertes Open-Access-Publizieren verteilten sich die Anwesenden auf vier Gruppen, um zu diskutieren, wie eine Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure aussehen kann. Ganz konkret sollten Voraussetzungen, Risiken, Hürden und Chancen für kooperative Ansätze benannt werden:

Kategorie Ergebnisse aus der Gruppenarbeit
Voraussetzungen - Transparenz und Verständigung über Aufgaben und Rollen von Verlagen und Bibliotheken
- frühzeitiger Austausch über Publikationsvorhaben
- gemeinsames Ziel: Bereitschaft zur Open-Access-Förderung/ -Ermöglichung und Open-Access-Standard für Bücher (über vielfältige Modelle und ohne Autor_innenbeteiligung)
- Unterschiede im Vorwissen / in Disziplinen / bei Publikationstypen anerkennen
Risiken, Hürden & Herausforderungen - Finanzielle Verluste
- Gefahr der Selbst-Abschaffung / Sich-überflüssig-machen
- Reputationsstrukturen / Vermessung der Wissenschaft
- Book Processing Charges an sich + die Höhe der Zuschüsse
- Fehlende Ressourcen
- begrenzter übergreifender Informationsaustausch
- eingefahrene Modelle und Abläufe behindern Neues / Angst vor Riskio bzw. Neuem
- Integration neuer Modelle in Medienerwerbung und Budgetverwaltung
- Kostentransparenz und -vergleichbarkeit
- Standards festlegen und einhalten
- Zeitliche Rahmenbedingungen, u.a. bedingt durch die Publikationsart „Buch“, berücksichtigen
Chancen - Autor_innenwissen stärken / Autor_innenzentrierte Modelle
- gemeinsame stärker und selbstbewusster sein und auftreten
- Vielfalt der Hintergründe, Strukturen und Erfahrungen der Beteiligten → Expertise der einzelnen Akteure
- Gemeinsame Kommunikation (Argumentationshilfen)
- Verlage als Dienstleister, Qualitäts- und Reputationsprovider
- Geschwindigkeit und Reichweite

Ergebnisse der Arbeitsgruppe BlauErgebnisse Teil 1 der Arbeitsgruppe GelbErgebnisse Teil 2 der Arbeitsgruppe GelbErgebnisse Teil 1 der Arbeitsgruppe GrünErgebnisse Teil 2 der Arbeitsgruppe Grün
Ergebnisse Teil 1 der Arbeitsgruppe OrangeErgebnisse Teil 2 der Arbeitsgruppe OrangeErgebnisse Teil 3 der Arbeitsgruppe Orange

Neue (Publikations-)Rollen im Co-Publishing

Der Nachmittag startet mit einer Session zur Analyse neuer (Publikations-)Rollen im Co-Publishing, wobei die Perspektive eines Intermediärs (KU), eines Repositoriums (SSOAR), einer Bibliothek (UB Bielefeld), eines Verlages (wbv media) sowie der AG Universitätsverlage dargestellt wurden.

  • Intermediäre bauen ihre Rolle als neutrale, vermittelnde Partner_innen aus und integrieren dabei Themen wie umfangreiche Metadatendissemination und die Entwicklung und Erstellung von Nutzungsstatistiken für Open-Access-eBooks in ihr Portfolio.
  • Repositorien haben u. a. durch Fördermandate und den Ausbau von Mehrwertdiensten wie z. B. die Prüfung von Predatory Publishern oder Versionskontrolle eine gesteigerte Bedeutung als Infrastruktur erfahren. Damit einher gehen eine Professionalisierung und Profilierung in der eigenen Disziplin und neue Kooperationsmodelle untereinander und mit den Verlagen.
  • Bibliotheken sind mit ihren Aufgaben Teil einer komplexen Wissensinfrastruktur. Dazu gehören künftig die Bereitstellung (und Entwicklung) von Publikationsplattformen, eine aktive Rolle in Universitätsverlagen, die Beratung und Finanzierung von (Open-Access-) Publikationen, publikationsunterstützende Services, Forschungsdatenmanagement und Kostenreporting. Das führt auch dazu, dass Bibliotheken sich über die eigene Institution hinaus engagieren (müssen).
  • Die Rolle der Wissenschaftsverlage wird in der Ermöglichung des gemeinsamen, disziplinorientierten Open Access gesehen, da sie mit ihrem Leistungsspektrum zur Wirksamkeit und gesellschaftliche Relevanz von Wissenschaft und Forschung beitragen. Dafür bedarf es einer Finanzierung, die sich nicht am Standort der Universität, sondern an den Autor_innen und Herausgeber_innen in ihren jeweiligen Disziplinen und deren spezifischen Publikationsbedarfen orientiert. Es wurde aufgezeigt, dass es in Bibliotheken je nach Ansprechpartner_in (OA-Beauftragte oder Erwerbungsleitung) unterschiedliche Bereitschaft für Open Access gibt. Unterschiedliche Bereitschaft zu Open Access
    Insbesondere Fachinformationsdienste können in kleinen Disziplinen einen Beitrag leisten, Open Access ohne finanzielle Autor_innen-Beteiligung zur realisieren.
  • Die 30 Verlage der AG Universitätsverlage sind mit ihren 500 Open-Access-Publikationen pro Jahr ein großer Player, der auch bei der Diskussion um die Förderung von Open Access für Bücher nicht unberücksichtigt bleiben darf. Sie arbeiten schon heute mit externen Dienstleistern und sehen diese Kooperationen auch künftig als relevant für die Einhaltung hoher Publikationsstandards an. Voraussetzung dafür sind offene, interoperable Prozesse unter Nutzung von Open-Source-Software und unter Beteiligung von öffentlich finanzierten Infrastrukturprojekten für Bücher.

Open-Access-Publikationsfonds als Mittel

Der letzte Vortragsteil beschäftigte sich mit der Frage, ob Open-Access-Publikationsfonds ein Mittel zur Ermöglichung von Co-Publishing-Modellen sein können. Monika Pohlschmidt vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache beantwortete die Frage exemplarisch anhand des Publikationsfonds für Monographien der Leibniz-Gemeinschaft. Dieser ist auf die Jahre 2019 und 2020 zeitlich beschränkt. Die Förderung erfolgt im Rahmen eines Pilotprojekts, mit dem auch Erfahrungen gesammelt sowie Standards für Open-Access-Bücher entwickelt und erprobt werden sollen. Die Förderung einer Monographie oder eines Sammelwerkes erfolgt über ein modulares System. Neben dem Basismodul gibt es ein Zusatzmodul für umfangreiche Werke und/oder viele Abbildungen bzw. Tabellen und ein Zusatzmodul für Bildrechte und extra Lizenzen.

Förderkriterien des Leibniz-Publikationsfonds

Nach dem ersten Jahr konnten von den 33 eingereichten Anträgen schon 13 Titel bei verschiedenen Verlagen realisiert werden. Als Herausforderung nannte Frau Pohlschmidt den großen Beratungs- und Administrationsaufwand, die langen Projektlaufzeiten bei der Entstehung einer Buchpublikation (was z. B. für zeitlich befristete Etats schwierig ist) und die ungeklärte längerfristige Finanzierung. Gleichzeitig konnte sie von dem großen Interesse und der hohen Nachfrage sowie zahlreichen Synergieeffekten berichten, die die Einrichtungen dieses Fonds mit sich brachte.

Gewonnene Erkenntnisse

In der Abschlussdiskussion dieses vollgepackten Tages wurde vor allem die Frage diskutiert, wie es jetzt weiter gehen kann. Einzelne Punkte aus der Gruppenarbeit wurden aufgegriffen und deutlich gemacht, dass es für die Entwicklung der Community ein Mission Statement oder ein Memorandum of Understanding braucht, in dem das Ziel und gemeinsame Mindest-Standards und -Voraussetzungen festgehalten werden. Außerdem sollen Forschungsförderer wie die DFG, die einzelnen Autor_innen als Souverän ihrer Publikation und Rechte sowie Bibliotheks- bzw. Erwerbungsleiter_innen verstärkt eingebunden werden. Auch eine Kooperation mit dem Projekt http://open-access.network sollte in Betracht gezogen werden.

Daher wird es eine Follow-Up-Veranstaltung am 21.04.2020 geben, zu der alle Akteure des wissenschaftlichen Publikationsprozesses in den Geistes- und Sozialwissenschaften eingeladen sind, die sich aktiv an dem Aufbau und die Umsetzung des Community-Projektes „ENABLE! - Bibliotheken, Verlage und Autor*innen für Open Access in den Humanities und Social Sciences" beteiligen wollen. Im Rahmen dieser Veranstaltung soll u. a. ein erster Entwurf für das Mission Statement der Community entstehen.